Einschießen: GEE oder 100m Fleck?

Es wird ja immer wieder darüber diskutiert, ob man seine Jagdwaffe auf 100m oder auf die GEE einschießen sollte. Schon hier beginnen die ersten Unklarheiten und Diskrepanzen. Die GEE ist die “günstigste Einschießentfernung”. Das ist eine, aus meiner Sicht, unglückliche Übersetzung der “Point-blank-range”. Dieser Englische Begriff kommt vermutlich vom dem französischen pointé à blanc, “zeige auf weiß” (das Auge der Zielscheibe) und wurde in den 1570ern erstmals erwähnt. Die Point-Blank-range gibt einen Bereich an in dem ein Schütze erwarten kann sein Ziel einer bestimmten Größe zu treffen ohne das Absehen an seiner Waffe zu verstellen.

Tatsächlich müssen wir an einen Bereich denken in dem wir treffen wollen wenn wir den Ausdruck GEE benutzen und das ist es auch worum es geht. Bei der Jagd möchten wir den Bereich des Tierkörpers treffen, bei dem der schnelle Tod eintritt und Qualen vermieden werden. Bei den verschiedenen Tierarten sind diese Flächen nun sehr unterschiedlich. Bei einem dicken Hirsch ist dieser letale Bereich sehr viel größer als bei einem Reh. Bei der Festlegung der GEE ist man von einem Jungfuchs ausgegangen. Die tödliche Fläche der Kammer ist hier etwa 8cm groß. Also ein Kreis mit einem Radius von 4cm (von der Mitte 4cm nach oben, 4cm nach unten und auch nach rechts und links). Innerhalb dieses 8cm großen Kreises soll das Geschoss einschlagen. Egal auf welche (jagdliche) Entfernung man schießt.

Deshalb definiert RWS die GEE so: “Als GEE wird der Punkt bezeichnet, an dem die Geschossflugbahn zum zweiten Mal die Visierlinie schneidet. Dabei darf sich das Geschoss nicht weiter als 4 cm von der Visierlinie entfernen.”

Hier in Bild 1 sehen wir unser 8cm großes Ziel und die Waffe. Visierlinie und Seelenachse des Laufes sind (zunächst) in einer Linie. Die Waffe ist also auf 0m “eingeschossen”. Die blaue Kurve ist die Bahn in der das Geschoss fliegt.
Drop-0-0
So würde das Geschoss also das Ziel (orange) verfehlen.

Jetzt schießen wir die Waffe einmal auf 100m ein und schauen wie die Bahn dann verläuft. Ich habe ein paar Hilfslinien zum Ziel hinzugefügt und die grüne Linie, die die Visierlinie zeigt. Das Absehen im Zielfernrohr hat eine Höhe von 4,7cm über der Seelenachse des Laufes.
Drop-0-100
Jetzt könnten wir unser Ziel im Bereich zwischen 25m und 125m gut treffen (Trefferbereich 100m lang). Die genaue Mitte treffen wir bei 100m. Bei allen anderen Entfernungen liegt der Treffer etwas tiefer (max. 4cm).

Ändern wir die Einstellung des Zielfernrohres noch einmal und schießen die Waffe auf GEE ein:
Drop-0-GEE
Jetzt hat sich der Trefferbereich noch einmal verschoben. Bei ca. 55m und bei ca. 135m treffen wir genau die Mitte des Zieles. Bei 100m sind wir 4cm hoch und bei ca. 30m und 158m (GEE) treffen wir 4cm tief (Trefferbereich 188m lang).

Die Winkel der Waffe im Diagramm sind natürlich enorm überzogen, die Werte selbst passen zu einer typischen .308 Winchester oder .30-06 Jagdmunition mit 168 grain Geschoss und einer V0 von 780m/s.

Fazit: Das einschießen der Waffe auf GEE vergrößert den Bereich in dem man ein Stück sicher treffen kann (in unserem Beispiel um 88%). Das Einschießen auf 100m bringt nur dann einen Vorteil, wenn man ein kleines Ziel in weniger als 30m Entfernung beschießen möchte.

Auf dem Schießstand, wenn man eine Scheibe auf 100m treffen soll muss der Treffer also 4cm über dem anvisierten Punkt liegen. Die GEE selbst hängt vom Kaliber, dem Geschoss und der Geschwindigkeit des Geschosses ab und wir im allgemeinen auf der Packung angegeben.

Schreibe einen Kommentar