(Drück-) Jagdsaison! Vorhalten beim schießen auf bewegte Ziele – ganz einfach erklärt.

Vorhalten – ja, aber wie viel?

Im Zuge der Ausbildung zum Jäger bzw. der Vorbereitung zur Jägerprüfung lernt man in der Jagdschule, dass man lernen muss richtig durchs Zielfernrohr zu schauen und dass man sich die Vorhaltemaße einprägen muss. Auf dem Schießstand gibt es dann noch den Praxistip: “Immer auf den hohen Teller anhalten dann triffst Du auch.”

Stimmt das alles so oder ist das Quatsch? Diese Frage lässt sich mit einem klaren JEIN beantworten. Zum einen ist der Praxistip auf den hohen Teller anzuhalten beim “DJV Laufender Keiler” korrekt. Der laufende Keiler wird nach DJV-Vorschrift bei einer Geschwindigkeit von 3 m/s und einer Entfernung von 50 m beschossen. Die DJV-Keilerscheibe Nr.5 ist 1,32 m lang und 0,76 m hoch. Von Größe und Habitus also ein Überläufer-Keiler. Was passiert nun aber, wenn der Keiler eine andere Größe hat oder wenn er schneller bzw. langsamer läuft? Der gut gemeinte Praxistip funktioniert nur für das Szenario DJV laufender Keiler.

In der Natur begegnen uns DJV Keiler aber auch andere bewegte Ziele, die sich auch leider nicht immer im 90° Winkel zum Schützen bewegen.

Im Internet gibt es viele großartige Artikel, Beispiele zu Berechnungen und Tabellen. Außerdem ranken sich viele Mythen um das Thema Vorhaltemaß. Wenn man aber einmal ehrlich ist dann ist das alles viel zu kompliziert.

Es geht einfacher!

Wenn man bei der Bewegungsjagd diese These zugrunde legt dann wird es einfacher:

Ich habe bei der Jagd eine Trefferfläche und keinen Treffpunkt um ein Stück sicher zu erlegen.

Die Fläche, bei der ein Treffer tödlich ist, sind die Ringe auf der DJV-Scheibe. Das ist ein recht großer Bereich. Anzustreben ist es, die Mitte zu treffen. Solange man aber in den Ringen liegt ist alles gut. Je weniger Stress man selbst beim Schuss hat umso besser trifft man. Zum Rechnen hat man auf einer Drückjagd definitiv keine Zeit!

Zum besseren Verständnis meiner gleich kommenden Vereinfachung muss ich leider doch einmal in die Theorie abschweifen um Grundlagen zu schaffen. Abgesehen von den Fähigkeiten des Schützen wird die Flugbahn des Geschosses von folgenden Faktoren beeinflusst:

  1. Distanz zum Ziel
  2. Geschwindigkeit des Geschosses über den gesamten Weg
  3. Vertikaler Winkel in dem geschossen wird.
  4. Wind und weitere atmosphärische Verhältnisse

… und die mit 1. und 2. verbundene Flugzeit des Geschosses.

Aufgrund der geringen Schussdistanzen von max. 70m bei Drückjagten vernachlässige ich die Punkte 3 und 4. Ich gehen davon aus, dass wir in der Ebene und nicht bergauf oder bergab schießen. Distanz und V0 sind also unsere entscheidenden Faktoren wenn sich das Ziel bewegt. Das Geschoss braucht eine gewisse Zeit, um die Entfernung zum Ziel zu überbrücken. In dieser Zeit bewegt sich das Ziel aber und somit ist der anvisierte Punkt nicht gleich dem Treffpunkt.

Beispiel:

Eine Katze läuft quer über eine Tischtennisplatte. Ein Ball wird langsam über die Platte gerollt. Bis der Ball die Katze erreicht hat sich die Katze weit genug bewegt, um nicht getroffen zu werden. Wird der Ball aber schnell gerollt trifft er die vorn anvisierte Katze vielleicht noch in der Mitte.

Schaut man von oben auf die Tischtennisplatte ergibt sich ein Dreieck aus Ziellinie, Bewegung der Katze und der Verbindungslinie zwischen Schützen und dem geplanten Treffpunkt. Es gilt also:

Vorhaltemass Vorhaltewinkel!

Wunderbar… und was hilft das? Ganz einfach: Das durch den Winkel beschriebene Dreieck hält für jede Distanz das richtige Vorhaltemass bereit.

Winkel im Zielfernrohr ablesen

Das Absehen im Zielfernrohr hat definierte Maße. Hier ist nichts dem Zufall überlassen. Leider sind diese Maße nicht genormt und von Hersteller zu Hersteller und von Absehen zu Absehen unterschiedlich. Mit den Stichworten “Absehen” und “Deckungsmaße” oder auch “Kenngrößen” findet man aber ein Datenblatt zum eigenen Zielfernrohr und die dazugehörigen Daten. Zeiss hat die Maße für seine Absehen in einem PDF veröffentlicht.

Beispiel Absehen 4

Absehen 4

Maß cm/100m mil
a 70 7
b 15 1,5
c 1,5 0,15

mil (mrad) ist das Bogenmaß ein Milli-rad (mrad) auch “Strich” oder Artilleriepromille genannt. Ein Kreis mit Radius r wird als 2πr (2πrad) beschrieben.

Circle radians

Wenn man einen Winkel im Bogenmaß beschreibt und in mil (mrad) teilt hat man 1 mil = 10 cm auf 100 m = 20 cm auf 200 m usw.

Im Absehen 4 ist das Maß vom Zentrum Fadenkreuzes bis zum Beginn des dicken Balkens also 3,5 mil. Bei einer Entfernung von 100 m sind das 35 cm. Bei unserer Drückjagdentfernung von max. 70 m sind das dann noch 24,5 cm und bei 50 m 17,5 cm

Zum Winkel kommt die Geschwindigkeit

Leider laufen unsere Wildtiere nicht alle gleich schnell. Im Internet gibt es diverse Tabelle in denen man nachlesen kann wie schnell unser Wild läuft. Hier möchte ich wieder durch mitteln vereinfachen und lediglich feststellen:

  • Hoch-Flüchtig: 14 m/s (gut 50 Km/h)
  • schneller Troll: 7 m/s (rund 25 Km/h)

Damit haben wir jetzt alles was wir brauchen. Die V0 findet man meistens auf der Munitions-Verpackung und die Geschwindigkeit des Zieles kennen wir nun in etwa. Geben wir die Werte einfach einmal in einen Ballistik Rechner ein. Ich habe mit einem .30er Kaliber (also z.B. .308 Winchester oder .30-06), einer V0 von 800 m/s und einem Sierra GameKing Bleigeschoss gerechnet.

Beim hoch flüchtigen Stück (mit 14 m/s) bekommt man diese Ergebnisse:

Entferung Abfall Abfall Geschw. Vorhaltemaß Vorhaltewinkel
(m) (cm) (mil) (m/sec) (cm) (mil)
30 -1.0 -0.3 783.7 53.0 17.7
40 -0.3 -0.1 777.7 70.9 17.7
50 0.2 0.0 771.7 89.0 17.8
60 0.5 0.1 765.8 107.2 17.9
70 0.6 0.1 759.9 125.6 17.9

Ist das Stück im schnellen Troll sieht es so aus:

Entferung Abfall Abfall Geschw. Vorhaltemaß Vorhaltewinkel
(m) (cm) (mil) (m/sec) (cm) (mil)
30 -1.0 -0.3 783.7 26.5 8.8
40 -0.3 -0.1 777.7 35.5 8.9
50 0.2 0.0 771.7 44.5 8.9
60 0.5 0.1 765.8 53.6 8.9
70 0.6 0.1 759.9 62.8 9.0

Man sieht schon am Geschossabfall, dass auch hier eher eine Fläche, als ein genauer Punkt beschrieben wird. Bei 30 m trifft man 1 cm tiefer und bei 70 m 6 mm höher. Hält man beim hoch flüchtigen Stück 18 mil vor und im schnellen Troll 9 mil dann trifft man tödlich.

Eine Tabelle im Internet gibt die Geschwindigkeit von Damwild bei hoher Flucht mit 16,5 m/s an. In dem Fall würden der Treffer (bei 18 mil Vorhaltewinkel und 50 m Distanz) 15 cm hinter dem optimalen Treffpunkt liegen. Eine Trefferfläche von 30 cm Durchmesser ist beim starken Stück Damwild auf jeden Fall tödlich. Wenn das Ziel langsamer unterwegs ist würde der tatsächliche Treffer weiter vorn liegen.

Bewegt sich das Ziel nicht unter 90° zum Schützen bewegt sich das Ziel quer zum schützen (je nach Winkel) etwas langsamer. In dem Fall würden die Treffer dann eher etwas weiter vorn liegen.

Je nach Absehen ist es einfacher oder schwieriger den korrekten Punkt für die 9 bzw. 18 mil (aus unserem Beispiel) zu finden.

Fazit

Aus zwei Geschwindigkeiten (7 und 14 m/s) kann man sich entsprechend seiner Munition zwei Winkel berechnen und damit auf alle Distanzen ausrechend gut treffen.

Mit diesem theoretischen Wissen geht’s dann jetzt zum Schießstand oder noch besser ins Schießkino! Nur wer regelmäßig übt kann mit perfekten Treffern glänzen und produziert kein Leid!

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